Klick auf die Bilder zum vergrößern
|
Was nutzt das motorisierte 14-Zoll Schmidt- Cassegrain im Wohnzimmer, wenn man sich im Urlaub in der Namib Wüste mit einem 8x40 Fernglas begnügen muss? Zugegeben, die südliche Milchstraße mit dem Fernglas abzufahren, ist schon ein echter Leckerbissen für des Sternenfreundes Augen. Das kann dann sicher 2 Nächte lang gut gehen, denn dies ist so etwa die mittlere Inkubationszeit für "Aperture Fever", jenen hinterhältigen Virus, der fast jeden Sterngucker befällt, sobald er sich dem Sternenstaub aussetzt und nach "heller- größer- mehr" verlangt. Die Leitsätze der visuellen Astronomie werfen sofort folgende Frage auf: Wie kriege ich möglichst viel Öffnung unter
möglichst dunklen Himmel? Ich hatte bereits Anfang der
Neunziger einen 25 cm Spiegel f/5,4 selbst geschliffen und in einen 30
Kilo schweren Dobson namens Archimedes
gebaut, der mir und zahlreichen Astrokumpels schon viel Spaß bei
unseren nächtlichen Ausfahrten ins Berliner Umland bereitet hatte. Die
Vorstellung, mit diesem guten Spiegel den Eta Carina Nebel und die
Magellan'schen Wolken auf die Netzhaut zu bringen, bereitete schlaflose
Nächte. Wie kriege ich zehn Zoll in's Flugzeug? Passen 8 Stangen denn
noch in den Koffer? Wozu überhaupt ein Hut? Warum nicht gleich das
Okular mit 2 Stangen an's Glas Nageln? Die Idee mit 2 Stangen hatte ich
ja schon an einem 6 Zoll Reise Dobson
mit 6 Kilo verwirklicht. Aber hier wog die Glasscherbe bereits 5 kg, da
musste jedes Gramm an der Struktur "abgehungert" werden. Faule
Kompromisse hinsichtlich optischer und mechanischer Leistung waren dabei
natürlich streng verboten. Nach einigen Wochen intensiver Bastelei war der "Reise Archimedes" fertig: 10 Zoll mit 10 Kilo und mit einem Packmaß von 34 x 31 x 30 cm kompakt genug für fast jedes Flugzeug Handgepäckfach! Mit dem hölzernen "Beauty- Case" schreitet man souverän durch die Sicherheitskontrollen und ist sicher, auch nichts vergessen zu haben. In der Spiegelbox
finden nämlich neben dem Hauptspiegel, der sicher in seiner Fassung
ruht, abgetrennt vom Spiegeldeckel alle nötigten Teile Platz:
Höhenlager, Fangspiegel- Fokusier- Einheit, Peilsucher, Schrauben und
Spannseile, Okulare, Taschenlampe, Beobachtungsbuch und warme Socken.
Die 2 Stangen sind teilbar und gehen somit in jeden Koffer oder
Rücksack. Der Aufbau einschließlich Justierung erfolgt in 8 Minuten,
natürlich alles ohne Werkzeug. Für alle Holzteile verwende
ich Sperrholz Birke, auch Multiplex Birke genannt. Sperrholz Buche ist
etwas schwerer und ebenfalls sehr stabil, wird jedoch selten im Handel
angeboten. Man achte auf möglichst viele übereinander geleimte
Holzlagen für eine gegebene Dicke. Das im Handel oft als
"Sperrholz Gabun" vertriebene Material ist zwar etwas
günstiger und leichter, weist aber weniger Schichten auf und erreicht
nicht die Stabilität von Birke. Für alle lösbaren Verschraubungen
kommen sog. Einschlag- Gewindemuffen zu Anwendung. Diese werden in das
Holz geschlagen und zusätzlich mit Epoxy Kleber gesichert.
Die Details:
Die Spiegelbox ist aus 6,5 mm dünnem Sperrholz verleimt und verschraubt, der Boden und die zusätzlichen Versteifungen in den Ecken geben der Struktur die nötige Stabilität. Lediglich die Seite, an die die Stangen befestigt werden, ist aus 9 mm Sperrholz gefertigt. Die Spiegelzelle ist als eine modifizierte schwimmende 9 Punkt Lagerung ausgeführt. Der Spiegel ruht auf den Endpunkten von 3 kleinen Alu Dreiecken die ihrerseits an ihren Mittelpunkten frei beweglich auf den Justierschrauben liegen. Die Kräfte werden von den Justierschrauben über zwei
15 x 15 x 2 mm starke Alu Vierkantbalken direkt auf die Spiegelbox übertragen. Durch diese extrem flache Spiegelzelle und durch die Abschrägung der vorderen Spiegelboxpartie schwebt der schwere Spiegel beim Durchschwenken gerade mal 2 cm über den Boden der Wiege! Am okularseitigem Ende hieß es, Gewicht zu sparen mit allen Mitteln. Hier am langen Hebelarm zählt jedes Gramm, um den Schwerpunkt möglichst weit nach unten zu bringen. Der sonst übliche "Hut" ist daher zu einem
Okularhülse- Fangspiegelkopf geschrumpft der mittels Handknaufe an die Stangen befestigt wird. Das Scharfstellen erfolgt ganz rudimentär mit einem sehr leichten 1¼- Zoll Schraubfokusierer. Die Fangspiegeleinheit hängt justierbar in zwei V- förmig angeordneten Federstahlblechen. Beim Aufbau des Gerätes muss hier jedoch nie nachjustiert werden. Direkt hinter dem Fangspiegel befindet sich
eines der wichtigsten Bauteile: Die Streulichtblende. Sie verhindert sehr erfolgreich den Einfall von seitlichem Fremdlicht. Entscheidend für die Abschattung ist ja, dass das Okular außer den Fangspiegel kein weiteres "Falschlicht" sieht.
Zusätzlich verwende ich Lochblenden,
die am Filtergewinde der Okulare geschraubt sind. Jedes Okular hat seine eigene
Lochblende, ausgelegt für des jeweilige Gesichtsfeld. Der "Tubus" ist auf zwei teilbare Alu Vierkantrohre reduziert. Das obere
15 x 15 x 2 mm Profil wird mit dem unteren 20 x 20 x 2 mm Vierkant mit jeweils einer einzigen
Verschraubung über definierte Zug und Druckpunkte völlig spielfrei verbunden. Die Stangen werden in entsprechend geformte
Sitze unten in die Spiegelbox gesteckt und weiter oben mit jeweils einem
Handknauf verschraubt. Sie sind ausgefahren 1,31 m lang, im zusammengeschobenen Zustand zum Transport 0,71 m. Das durch die spitz zulaufenden Stangen entstehende Fachwerk ergibt eine sehr hohe Verwindungssteifigkeit in Richtung der beiden Stangen ähnlich dem "Truss Tube Design" mit 8 Stangen. Die Richtung senkrecht hierzu, also entlang der Okularachse ist jedoch statisch instabil und wird daher mittels Fahrrad Gangschaltungs- Bowdenzügen verspannt.
Die Bowdenzüge werden mit Abstandshaltern
aus Inbus Schraubenschlüsseln in Bohrungen der Spiegelbox gesteckt, um
nicht im Strahlengang zu stehen. Auf Teleskoptreffen bekam Reise Archimedes daher auch den Beinamen "Gitarren- Dobson". Der Sound ist zwar nicht so gut, die Durchbiegungen und Vibrationen werden jedoch mit kaum Materialaufwand um
mindestens Faktor 4 vermindert!
Die Höhenlager sind möglichst groß gewählt, jedoch so, dass sie zum Transport noch in die Spiegelbox passen. Das Teflon läuft auf Küchenarbeitsplatten Laminat (Duropal oder auch Formica genannt). Mit meinen 180-280 g schweren Okularen, die ich dafür verwende, ist es perfekt austariert. Eine Bremse verhindert das Hochschnellen beim Okularwechsel.
Die Wiege ist zur Gewichtsersparnis als Sandwich Konstruktion hergestellt (siehe Sandwich Seite und Sandwich Boden). Am Azimutlager gleitet goldlackbeschichtetes Hammerschlag Alu (Fensterbankverkleidung) auf dem Teflon. Die Nachführung lässt sich butterweich und in beiden Achsen gleichmäßig bewegen.
Schlussfolgerung:
Der einzige Nachteil aus diesem Minimalismus ist der Verzicht auf 2 Zoll Okulare, doch mit meinem 24 mm Wide Field bekomme ich auch ein ganzes Grad Gesichtsfeld. Des weiteren liegt der Gesamtschwerpunkt des Gerätes 27 cm über dem Boden, was bei horizontnahen Objekten nicht sehr komfortabel ist. Ich habe daher immer eine im Urlaub ohnehin unverzichtbare Iso- Matte dabei, auf der man je nach Okularhöhe liegen, sitzen oder knien kann.
Gut, die Streulichtblende am Fangspiegel steht im Strahlengang und erzeugt natürlich zusätzliche Beugungserscheinungen, die zumindest theoretisch den Kontrast mindern. Andererseits konnte durch den geringen Okularabstand von der optischen Achse ein Fangspiegel mit nur 39 mm Durchmesser verwendet werden (15% lineare Abschattung). Mit Jupiter im 4,8 mm Nagler bei ruhiger Luft vergisst man ohnehin schnell alle Beugungsphysik. Die Spiegelgüte ist, was am meisten ausmacht. Die Konstruktion ist stabil und bietet dem Wind wenig Angriffsfläche. Stellt euch vor, ihr befindet euch mit so einem Reise- Dobson an einen einsamen Strand in Griechenland, auf dem Teide oder in der Namib, die Gasnebel der südlichen Sommermilchstraße genießend... Lust bekommen, so etwas zu bauen? Die Nächte hinter dem Okular werden unvergesslich bleiben!
|